Streichorchester im AWO Servicewohnen „Am Weißenberge“

„Der heutige Auftritt ist auch für uns ein Highlight“, so Bernd Raschdorf, der sichtlich erfreut mit seiner Violine ganz links außen Platz genommen hat und noch einmal sein Instrument und die Notenblätter kontrolliert. Zusammen mit zehn weiteren Musikerinnen und Musikern mit Violinen, Bratschen und Celli gehört er zum Streichorchester des Kollegs der Hauptkirche St. Nikolai in Harvestehude. Im Halbkreis hat sich das Orchester vor den Stuhlreihen im Veranstaltungssaal der Servicewohnanlage „Am Weißenberge“ postiert. Das Besondere an diesem Orchester: Alle Musizierenden sind selbst Senior*innen, zwischen 60 und 80 Jahre alt. Das Spielen von Violine, Bratsche oder Cello hält sie fit, die meisten beherrschen ihr Instrument bereits seit vielen Jahrzehnten.

Von Klassik bis Beatles

Klassische Werke von Schumann, Haydn (Violinkonzert), Telemann (Bratschenkonzert) und Schubert spielt das elfköpfige Streichorchester an diesem verregneten Nachmittag bei der AWO. Aber auch Unterhaltungsmusik wie „Yesterday“ von den Beatles oder „Scarborough Fair“ von Simon & Garfunkel. Konzentriert und routiniert führen sie den Bogen über die Saiten oder zupfen die Saiten bei anderen Stücken. Rund 30 Seniorinnen und Senioren aus der Wohnanlage am Weißenberge sind an diesem Nachmittag gekommen. So manche Füße und Köpfe wippen im Takt der Musik mit. „Schön..!“ sagt eine Zuhörerin immer mal wieder in den kurzen Pausen. Alle Besucher*innen  freuen sich über dieses besondere Angebot nur wenige Schritte von Ihrer Haustür entfernt.

„Man verschenkt das, was man hat“

„Man verschenkt das, was man hat. Und das Tolle ist, dass es hier auch einen Bedarf dafür gibt“, so erklärt Ludwig Gutsch (Bratsche), wie er auf die Idee für das kostenlose Streichkonzert im AWO Servicewohnen „Am Weißenberge“ gekommen ist. Der 74-Jährige selbst ist seit drei Jahren Mieter im AWO Servicewohnen in der Schwartauer Straße. Dort hat er Anfang September bereits mit vier Kolleg*innen ein erstes Streichkonzert für Mitbewohner*innen gegeben. „Denn Musik kann jeder konsumieren und genießen, ohne Vorbereitung und ohne Vorwissen“, erklärt Gutsch weiter. Und seine Freundin, Marion Salchow (2. Geige), ergänzt: „Nicht alle Bewohner*innen könnten sich wohl den Besuch eines Konzerts leisten oder sind noch mobil genug. Aber das Interesse ist da und dann kommen wir gerne.“

Olympiasiegerin im Handbiking dirigiert

Dirigentin Dorothee Vieth dreht sich so manches Mal zu den Zuhörenden um und berichtet Interessantes zu den Stücken oder stellt auch die Solist*innen vor. Einmal wöchentlich probt sie mit dem Orchester und gibt auch beim Konzert bei der AWO mit Taktstock und konzentriertem Blick die richtigen Einsätze vor. „Es ist toll, wenn man auf ein Ziel hinarbeitet und so ein Konzert, das man erarbeitet hat, dann auch vorführen kann. Gerade nach Corona freuen wir uns über Auftrittsmöglichkeiten wie hier“, sagt Dorothee Vieth. Die Orchestermitglieder sind aber auch aus einem anderen Grund stolz auf ihre Dirigentin. Denn bei den Olympischen Spielen in Rio de Janeiro 2016 errang die Rollstuhlfahrerin eine Goldmedaille im „Handbiking“, bei dem das Fahrrad allein über Handkurbeln angetrieben wird.

Zufriedene Gesichter – Fortsetzung geplant

Kräftigen Applaus erhalten die sportliche Dirigentin und das Streichorchester an diesem Nachmittag für ihr kostenloses, anderthalbstündiges Konzert. Auch Katrin Jakobi, Leiterin des AWO Servicewohnen bedankt sich herzlich bei allen. Auf allen Seiten bleiben zufriedene Gesichter und so ist schnell klar: mit den Streichkonzerten im AWO Servicewohnen soll es weitergehen.