Die Landeskonferenz, das demokratisch gewählte Gremium des AWO Landesverbands, tagt mindestens einmal jährlich. Am 30. September war es im YoHo mal wieder soweit. Fast 70 Delegierte aus allen sieben Hamburger Kreisen sowie von korporativen Mitgliedern und vom Präsidium waren dabei, um auf die vergangenen Monate der AWO zurückzublicken und Anträge für die Zukunft zu beschließen. Ralf Neubauer, Bezirksamtsleiter Mitte, war zu Gast und es wurden vier Anträge der AWO Hamburg mit großer Mehrheit verabschiedet.

Seniorentreffs für inklusive Teilhabe

In seinem Vortrag über die Quartiersentwicklung legte Bezirksamtsleiter Ralf Neubauer den Schwerpunkt auf den Bereich Senioren. Ähnlich wie in anderen Bezirken ist im Bezirk Mitte jeder 7. Bewohner 65 Jahre und älter. Etwas mehr als ein Drittel aller Senioren hat einen Migrationshintergrund und sowohl die Zahl der Senioren, die auf Grundsicherung angewiesen sind, sowie die der pflegebedürftigen steigt, so Neubauer. Er unterstrich die große Bedeutung der Seniorentreffs als Begegnungsstätten und Orte für inklusive Teilhabe für alle – unabhängig vom sozialen, finanziellen oder kulturellen Hintergrund. Insgesamt gibt es in Mitte 18 Seniorentreffs, sieben davon sind von der AWO.

Mit Blick auf die notwendige hauptamtliche Unterstützung für die Treffs ergänzte er: „Es stehen viele gute Sachen in der „Globalrichtlinie Offene Seniorenarbeit“, da sind wir uns wohl einig. Aber die finanziellen Mittel für die Umsetzung reichen nicht aus.“ Er wolle sich weiter für eine Erhöhung einsetzen.

Bei der Vorstellung einiger neuer Wohn- und Pflegeanlagen, die im Bezirk entstehen werden, ging es auch um den Standort des „AWO Haus Billetal“ in Mümmelmannsberg. Nach Umzug der rund 320 Schutzsuchenden aus der Ukraine, davon rund 100 Pflegedürftige, die die AWO dort seit 2022 betreut, soll an dem Standort ab Frühjahr 2025 eine neue Seniorenwohnanlage gebaut werden, mit einer Etage zur ambulanten Betreuung.

Rechtsruck nach Wahlen – AWO mischt sich ein

Jutta Blankau, Präsidiumsvorsitzende der AWO Hamburg begann ihren Bericht des Präsidiums mit einem sorgenvollen Blick auf den erfolgten Rechtsruck nach den Landtagswahlen in Thüringen und Brandenburg und die weiter erbittert geführten Kriege in der Ukraine und im Nahen Osten. „Der Rechtsruck zeigt, dass wir uns weiter für die Werte der AWO und die Demokratie stark und gut sichtbar einsetzen müssen, wie das bei der „Leuchtenden Menschenkette für Demokratie“ an der Binnenalster in diesem Frühjahr der Fall war.“ Vor der anstehenden Bürgerschaftswahl in Hamburg müssten sozialpolitische Themen wieder in den Vordergrund rücken.

„Es ist wichtig, dass wir uns als AWO einmischen und auch für Senioren Angebote machen, bei denen sie sich beteiligen können – wie bei der Forderung für einen Inflationsausgleich für Rentner.“ Sie fordert, dass die hauptamtliche Unterstützung nur in den Seniorentreffs gewährt werden dürfe, in denen es ehrenamtliche Leitungen gebe. Abschließend lud sie alle ehren- und hauptamtlichen AWO-Engagierten dazu ein, sich an der Diskussion über die Zukunft der AWO Hamburg zu beteiligen. Ab November werde ein Entwicklungskonzept bis 2030 vorgestellt und diskutiert.

Unternehmerisches Handeln und sozialpolitisches Engagement

„Wir sind inzwischen in ruhigeres Fahrwasser gekommen“, so begann Landesvorstand Dr. Arne Eppers seinen Bericht. Dass der Landesverband das Jahr 2023 mit einem Defizit abgeschlossen habe, liege daran, dass die Stadt höhere Tariflöhne und den Inflationsausgleich nicht voll refinanziert habe, trotz Versprechen. Dennoch seien Tariflöhne wichtig und sie wirkten auch positiv auf die Fachkraftgewinnung. Die Wirtschaftlichkeit beim Landesverband müsse weiter gesteigert werden. „Wichtig ist, dass das Gleichgewicht zwischen unternehmerischem und sozialpolitischem Handeln gegeben ist“, so Arne Eppers. Dass bedeute nicht, dass sozialpolitisches Engagement zurückgefahren werde, vielmehr gehe es darum, die Politik dafür in die Pflicht zu nehmen, Leistungen, die bestellt werden, auch zu bezahlen. Dazu gehöre eine vollständige Refinanzierung von Tariflöhnen ebenso, wie die Abschaffung von Eigenmitteln bei zuwendungsfinanzierten Projekten.

Revisor Arp Kressin bestätigte anschließend eine ordnungsgemäße Geschäftsführung und empfahl daher auch die Entlastung von Präsidium und Vorstand, was einstimmig beschlossen wurde.

Wichtige Anträge der AWO verabschiedet

Aus dem Kreis Mitte wurde Cordula Radtke nach Vorstellungsrede zur neuen Gleichstellungsbeauftragten im Ehrenamt gewählt. Auch bei der anschließenden Erläuterung und Abstimmung zu neuen Anträgen der AWO Hamburg gab es durchgängig fast komplette Zustimmung: Der Antrag Zuwendungsfinanzierung neu denken: Soziale Infrastruktur sichern hat zum Ziel, dass die Eigenmittel, die Träger von zuwendungsfinanzierten Angeboten, wie die AWO, mitbringen müssen, abgeschafft werden. Denn diese Projekte erfüllen staatliche Aufgaben, laufen zudem teilweise schon seit Jahrzehnten und müssen dennoch jedes Jahr neu beantragt werden. Das soll über die politische Ebene geändert werden. Eine nachhaltige Sicherung der gesetzlichen Rente durch eine entsprechende Reform fordert der Antrag Zukunft der Rente – Eckpunkte zu einer Reform des deutschen Rentensystems“. Er geht damit weit über die im Rentenpaket II von der Bundesregierung angegangenen Änderungen hinaus. Der Antrag Zukunft der offenen Seniorenarbeit fordert unter anderem eine deutliche Aufstockung der Mittel für die hauptamtliche Unterstützung ehrenamtlicher Seniorentreffleitungen und einen Ausbau der Aufgaben, die die Hauptamtlichen für die Treffs übernehmen dürfen. Mit dem Antrag Bürokratieabbau / Hamburger Engagementkarte soll erreicht werden, dass die Engagementkarte, die für gut befunden wird, deutlich einfacher von Organisationen wie der AWO für Ehrenamtliche beantragt werden kann. (Zur vollständigen Auflistung der Anträge)

Für eine ungewöhnliche Auflockerung sorgte bei dieser Landeskonferenz die Improvisationstheatergruppe, die sonst im Aktivtreff Louise Schröder in Altona auftritt. So wie sie spontan auf zugerufene Orte und Berufe in ihrem Spiel reagiert hat, so muss sich auch die AWO Hamburg wohl bei Bedarf immer wieder „neu erfinden“.