Haupt- und Ehrenamtliche meistern die Coronakrise – Wir sagen Danke!

Hühnerfrikassee mit Spargel und Erbsenreis direkt und kostenlos an die Haustür geliefert – und das von der aus dem Fernsehen bekannten Starköchin Cornelia Poletto persönlich: Der 07. April ist ein besonderer Tag für die Mieter*innen im AWO-Servicewohnen im Lenzweg. Schon seit Mitte März sollen Besuche vermieden werden und die Nachrichten sind voll von Wörtern wie „Corona-Pandemie“, „Quarantäne“, und „Hamsterkäufe“. Auch Cornelia Poletto trägt beim kontaktlosen Verteilen des Essens einen Mundschutz und Gummihandschuhe. Doch wie kam es dazu? Ein Rückblick.

Von Richard Backhaus und Frank Krippner

Als Ende Januar der erste Corona-Infizierte in Deutschland gemeldet wird, ahnt noch niemand, dass das Coronavirus das Leben in Deutschland, Hamburg und damit auch alle Betätigungsfelder der AWO Hamburg erheblich einschränken wird.

27. Februar: Erster bestätigter Corona-Fall in Hamburg

Die Stadt Hamburg verbietet kurz darauf Großveranstaltungen mit mehr als 1000 Personen und verfügt nach den Frühjahrsferien, dass Schüler*innen sowie Kita-Kinder, die sich in Risikogebieten aufgehalten haben, für 14 Tage zuhause bleiben müssen; die AWO informiert umgehend alle Eltern.

05. März: Senat verhängt Besuchsverbot in Pflegeeinrichtungen

Die Schutzmaßnahmen gegen das Coronavirus betreffen im Besonderen auch die ambulanten und stationären Pflegeeinrichtungen der AWO in Hamburg. Zwar sind die Vorsichtsmaßnahmen gegen Viren oder infektiöse Krankheiten für die Pflegekräfte Arbeitsalltag und daher schon erprobt, doch ist hier die Sorge um die Bewohner*innen und Klient*innen groß. Geschäftsführer Dr. Lars Wohlfahrt: „Unsere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter gehen sehr professionell mit der angespannten Lage um, bei uns überwiegt derzeit vor allem die Sorge um unsere Klientinnen und Klienten. Als Zugehörige zur Hochrisikogruppe gelten sie als sehr gefährdet und leben bis auf Weiteres sehr isoliert. Besonders schlimm für sie sind daher vor allem die starken Beschränkungen bei ihren sozialen Kontakten“. Der NDR startet einen Aufruf, abgeschottete Menschen in Pflegeheimen nicht zu vergessen. Am Aufruf beteiligt sich auch AWO-Pflegeassistentin Ghazal Rahimi aus dem AWO Haus Billetal. Sie appelliert in einer NDR-Videobotschaft an Angehörige, trotz des Besuchsverbots Kontakt durch Anrufe oder Briefe zu den Bewohner*innen zu halten.

13. März: Gesundheitsbehörde stellt Regelbetrieb an Schulen und Kitas ein.

Kinder und Jugendliche sollen vorerst bis 29. März zuhause betreut werden. Alle Hamburger AWO-Kitas und sowie die Angebote der AWO-Ganztagsbetreuung müssen von heute auf morgen den Regelbetrieb einstellen, lediglich eine Notbetreuung für Eltern, die in systemrelevanten Berufen arbeiten, bleibt vorhanden. Von den Schulschließungen betroffen sind auch die Essenslieferungen der AWO Hamburg Service gGmbH – das Unternehmen wählt den Weg der Kurzarbeit.

15. März: Gesundheitssenatorin Prüfer-Storcks fordert „Wellenbrecher“

Maßnahmen wie die Schließung von Kultur- und Freizeiteinrichtungen sind die Folge. Die AWO Hamburg reagiert noch am Wochenende und informiert ihre ehrenamtlichen Seniorentreffleitungen und Koordinator*innen über die Schließung aller Treffs und Seniorenclubs, vorerst bis Ende April. Ebenfalls betroffen sind zum Beispiel Stadtteilzentren, Veranstaltungen der Quartiersbüros, Freiwilligenagenturen und weitere offene Beratungsangebote. Weiter aktiv sind – natürlich mit Erlaubnis der Gesundheitsbehörde – die AQtivus Lebenslagenhelfer*innen in Bergedorf, die für Seniorinnen und Senioren kleinere Besorgungen erledigen, wie z.B. Medikamente von der Apotheke nach Hause zu liefern.

19. März: Gesundheitsbehörde verlängert die Schließung von Schulen und Kitas um weitere drei Wochen

Am gleichen Tag erscheint im SPIEGEL ein Interview mit Annegret Ptach, Leiterin des AWO Aktivtreffs Stellingen, in dem sie über die Folgen der Schließung ihres Seniorentreffs für die Besucher*innen und sie ganz persönlich berichtet. Mit Blick auf die Schließung sagt sie: „Jetzt ist nichts mehr, wie es war. Für manche ist dieser Treff das Einzige, ihr Lebensrhythmus. Er ist Freundschaft, Familie, das Gegenteil von Leere und Bedeutungslosigkeit“. Doch trotz des verordneten Alleinseins bleibe man optimistisch, so Ptach: „Wir haben viel mehr Angst vor der AfD als vor dem Virus. Corona wird vorbeigehen, die neuen Rechtspopulisten bleiben.“

Trotz Schließung der Seniorentreffs bleiben die Besucher*innen dennoch im Kontakt: Die Treffleitungen organisieren Telefonketten, um miteinander im Gespräch zu bleiben und bei Bedarf Hilfe zu organisieren.

22. März: Hamburger Senat beschließt „Kontaktbeschränkungen“, der Aufenthalt von mehr als zwei Personen in der Öffentlichkeit ist verboten

Doch AWO-Mitarbeitende finden in diesen Krisenzeiten kreative Lösungen, um mit den Beschränkungen umzugehen: Beispielsweise gestalten das Mobile Kinderprojekt Lohbrügge (Mobilo) und das Spielhaus Kiebitz Überraschungstüten für Kinder, die nun zuhause bleiben müssen. Per Post kommen Bastelsets, Ausmalbilder sowie Telefonnummern zu den Kindern nach Hause. Einerseits wird damit die Langeweile vertrieben, andererseits werden den Kindern und Jugendlichen Kontaktmöglichkeiten zu Sozialpädagogen angeboten, die Hilfe und Beratung für die durch den Lockdown teils angespannten Situationen in den Familien bieten. Torben Köhler vom Jungentreff am Billebogen nutzt außerdem diverse digitale Kanäle, um mit seinen Jungs im Austausch zu bleiben: „Wir sprechen momentan viel über Videochat miteinander und schreiben über WhatsApp. Eine andere gute Möglichkeit Kontakt zu halten, ist das gemeinsame Fußballspielen online: Nebenher können wir da sehr gut ins Gespräch kommen.“ Auch die Mitarbeitenden der AWO-Kitas werden erfinderisch: Sie nutzen Online-Plattformen, um die Eltern der Kita-Kinder mit Ideen für die Kinderbetreuung zu Hause zu versorgen. So werden zum Beispiel Lieder geteilt, kleine Experimente vorgestellt oder auch Videos mit Bastelideen selbst gedreht. Vor doppelten Herausforderungen stehen die AWO-Mitarbeitenden in den verschiedenen AWO-Wohnformen für Kinder, junge Mütter mit ihren Babys und Jugendliche. Neben neuen Corona-Hygienevorschriften müssen beispielsweise die Kinder, die ja nicht mehr zur Schule gehen können, nun 24h am Tag betreut und in der Einrichtung beschult werden – eine große Herausforderung bei bis zu 7 vertretenen Jahrgängen in einer Einrichtung, die den Mitarbeiter*innen im Kinderhaus am See und der Wohngruppe Swartenhorst sehr viel Einsatz und Engagement abverlangt.

23. März: AWO-Hilfsaktion “Miteinander in Zeiten von Corona” startet

Besonders die Risikogruppe der Hochaltrigen hat die AWO im Blick. Im Fachbereich Verband & Engagement entsteht gemeinsam mit der “Aktion Augen auf!” (AWO Stiftung) die Idee zur AWO-Hilfsaktion „Miteinander in Zeiten von Corona“. Koordinatorin Renate Polis: “Wir wollen ältere und hilfsbedürftige Menschen erreichen, die noch nicht digital vernetzt sind und in der jetzigen Situation besonders unter dem Kontaktverbot leiden.“ Die bereits bestehende Hotline der AWO Stiftung ermöglicht eine rasche Umsetzung der Aktion. Über Presse und die AWO-Website werden Freiwillige gesucht, die die Hilfsbedürftige mit Telefonpatenschaften oder einer Einkaufshilfe unterstützen. „Solidarisch handeln heißt, sich selbst und andere zu schützen und dabei die Älteren und Hilfsbedürftigen nicht zu vergessen“, so Präsidiumsvorsitzende Jutta Blankau. Die Resonanz ist groß, u.a. berichteten ZEIT, NDR-Fernsehen und Abendblatt. Knapp 24h nach Start haben sich bereits 500 Freiwillige registriert – gelebte Solidarität in Zeiten der Krise.

07. April: Starköchin Cornelia Poletto unterstützt AWO-Hilfsaktion

Unter anderem folgt die Spitzenköchin Cornelia Poletto dem Aufruf: „Wir haben von der Hilfsaktion der Arbeiterwohlfahrt in der Zeitung gelesen. Und da haben wir uns mit dem gesamten Team gleich als Einkaufhilfe online registriert“, so Poletto. Daraus ergibt sich im Gespräch mit der AWO-Unternehmenskommunikation eine neue Idee: Senior*innen im AWO-Servicewohnen, die aufgrund der Kontaktbeschränkungen kaum noch ihre Wohnung verlassen können, sollen unter dem Motto „Liebe geht durch den Magen“ einmal pro Woche mit einer besonderen Mahlzeit beliefert werden. Das Verteilen und Organisieren in den Einrichtungen wird unter Leitung von Fried Germer von den Mitarbeitenden in den Wohnanlagen übernommen. Die prominente TV-Köchin zaubert mit ihren wöchentlich wechselnden Gerichten den Seniorinnen und Senioren an ihrer Wohnungstür oder am Gartenzaun in dieser schwierigen Zeit ein Lächeln ins Gesicht.

REAKTIONEN AUF HILFSAKTION „MITEINANDER“:

„Min Deern dat ist scheunn, dat Du an mich denkst.“
Erwin Friedeboldt, Senior

„Tolle Idee mit den Telefonpatenschaften! Das Miteinander ist so wichtig!“
Rita Löwel, Seniorin

„Ich war bei Frau Faber und habe ihr den Einkauf über Ostern und natürlich das Katzenstreu besorgt. Sonntag werd ich aber ein Stück Kuchen vorbei bringen, davon weiß sie nur noch nichts.“
Jana Ketelhut, Freiwillige

“Ich finde die Aktion klasse! Großartig auch von Frau Poletto, dass sie das Essen selber gebracht hat!”
Mieterin Hannelore Bunk, Seniorin

Einsamen Menschen ein wenig Freude zu schenken war auch das Ziel einer Bild-Zeitungs-Aktion. Die AWO bekam dutzende selbstgemalte Bilder und Gebasteltes von kleinen Künstlern geschickt und leitete diese dann an Senior*innen weiter. Die Freude darüber war groß!

15. April: In Hamburg gibt es fast 4000 Infizierte. Die Sehnsucht nach Normalität wächst stetig. Doch noch immer ist kein Alltag in Sicht

Das sorgt vor allem auch bei Geflüchteten und Migrant*innen für Unsicherheit, da viele von ihnen noch unzureichende Deutschkenntnisse haben und wichtige Informationen nicht einordnen können. Renata O`Connell: “Die Verunsicherung ist besonders groß bei unseren Klient*innen, da viele in prekären Beschäftigungsverhältnissen stecken. Sie blicken durch den Dschungel von Antragsmöglichkeiten nicht durch.“ Deshalb wird bei AWO AQtivus eine Hotline eingerichtet, unter der Menschen in verschiedenen Sprachen Auskunft, Beratung und Informationen zum Verhalten in der Corona-Krise erhalten können und die somit das Beratungsangebot der Stadt Hamburg ergänzt.

12. Mai: Erste Lockerungsmaßnahmen in Hamburg

Mitte Mai breitet sich das Virus immer langsamer aus. In Hamburg öffnen wieder einzelne Geschäfte und die Bundesländer überbieten sich mit ihren Lockerungsmaßnahmen. Doch gibt es auch viele Stimmen, die eine zweite Infektionswelle befürchten. Klar ist: Das Coronavirus wird uns alle noch länger beschäftigen. Die AWO Hamburg hat jedoch in dieser Krise schon jetzt gezeigt, dass ihre haupt- und ehrenamtlichen Mitarbeiter*innen neue Herausforderungen professionell meistern können und mit vielen kreativen Ideen bewiesen, dass sie ein unverzichtbarer Akteur in der Wohlfahrtspflege der Hansestadt Hamburg ist.