Die AWO wurde im Jahr 1919 von der Frauenrechtlerin und Politikerin Marie Juchacz mit der Idee gegründet, solidarisch füreinander einzustehen und Hilfsbedürftige zu stärken. Die schnelle und praktische Hilfe der AWO war im 20. und frühen 21. Jahrhundert besonders nötig: Kriege lösten große Fluchtbewegungen aus, unter anderem nach Hamburg. In diesen Krisenzeiten baute die AWO Hamburg Großküchen und Werkstätten auf, organisierte Wohnraum und half mit Bildungs- und Beratungsangeboten. Auch heute leistet die AWO Hamburg praktische Flüchtlingshilfe: Sie betreibt eine Folgeunterkunft für Geflüchtete mit Bleibeperspektive und bietet Bildungs- und Beratungsangebote wie Deutschkurse und Berufsausbildungen an, zum Beispiel im AQtivus IntegrationsCenter.

Von Isabell Schumann

Foto: AWO Hamburg

Schon während des 1. Weltkriegs wurden die Lebensmittel überall knapp. Besonders die älteren Menschen, Verwitwete und Verwaiste litten an Hunger. Nach dem Krieg kochten Ehrenamtliche der AWO in verschiedenen Hamburger Stadtteilen in Großküchen und versorgten Bedürftige mit einer warmen Mahlzeit am Tag.

Mit Ende des 2. Weltkriegs mangelte es an allem: Wohnraum, Lebensmittel und Heizung. Bei Kriegsende waren von etwa 300.000 Wohnungen in Hamburg die Hälfte von Bomben und Feuer zerstört oder schwer beschädigt und nicht mehr bewohnbar. Gleichzeitig strömten immer mehr Menschen in die Stadt, darunter Zwangsarbeiter, Ausgebombte, aus dem Kriegsdienst entlassene Soldaten der Wehrmacht, ehemalige Kriegsgefangene sowie Vertriebene aus den ehemaligen deutschen Ostgebieten.

Die AWO-Helfer*innen richteten kurzerhand Nähstuben ein, oftmals in der eigenen Wohnküche, bauten Schusterwerkstätten und einfache Schreinerwerkstätten auf, in denen Geflüchtete meist für andere Geflüchtete einfache Schuhe und Möbel herstellten. Im Sommer 1946 kamen mit der sogenannten „Schwedenspeisung“ Fisch und Kartoffeln aus Schweden. Die Verteilung wurde in Hamburg unter anderem von der AWO organisiert. In Großküchen und Ausgabestellen wurden 42.000 Kinder und 35.000 Erwachsene verpflegt. Diese warme Mahlzeit war meist die einzige am Tag.

Nothilfe in den 90er Jahren für Flüchtlinge der Jugoslawienkriege

Die Jugoslawienkriege lösten um 1990 eine plötzliche Einwanderung vieler Geflüchteter aus Bosnien-Herzegowina aus. Die AWO Hamburg baute Beratungsstellen auf und kümmerte sich um die Unterbringung – in Wohnungen, Containern und Wohnwagen. Insgesamt 13.000 Bürgerkriegsflüchtlinge und 6.000 weitere Asylsuchende aus anderen Krisenregionen fanden bei der AWO Hamburg eine Anlaufstelle.

In fünf Stadtteilen betrieb die AWO Hamburg Integrationscenter. Dort berieten Mitarbeitende die Geflüchteten in deren Muttersprachen. Ärzte besuchten die Beratungsstellen und behandelten ehrenamtlich. Besonders wichtig war der AWO Hamburg damals wie heute die Teilhabe am alltäglichen Leben zu ermöglichen. Zum Beispiel durch Nähkurse, Filmabende und Kinderferienfahrten nach Sylt.

Nach dem Friedensabkommen von Dayton im Jahr 1995 wurde die AWO Hamburg auch in Bosnien aktiv. Sie beteiligte sich am Aufbau von Werkstätten und Schulen, um die Grundlagen für ein menschenwürdiges Leben für Dagebliebene und Rückkehrende zu schaffen.

 

AWO als Wegbereiter für Integration

Foto: AWO Hamburg

In den 1990er Jahren war seitens der Politik statt Integration vielmehr die baldige Rückkehr der Geflüchteten in ihre Herkunftsländer gewollt. Zahlungen, sogenannte „Rückkehrhilfen“, sollten den Neustart in der Heimat erleichtern. Doch viele wollten bleiben. Die AWO Hamburg setzte sich für die Integration ein und organisierte Deutschkurse, die häufig durch Spenden finanziert wurden. Noch heute bieten die AWO Akademie für Bildung und Integration sowie AWO AQtivus Deutschkurse an und qualifizieren Menschen mit Migrationshintergrund für den Arbeitsmarkt.

In den Schulen herrschte damals Trennung: Die Kinder und Jugendlichen wurden in Ausländerklassen, Aussiedlerklassen und Klassen mit deutschstämmigen Schüler*innen aufgeteilt. In Stadtteilen wie in Billstedt brachte die AWO Hamburg Schüler*innen unterschiedlicher Herkunft wieder zusammen: In Wochenendworkshops lernten sie den Umgang mit aktuellen Themen wie Sucht und Gewalt.

Der hohen Jugendarbeitslosigkeit begegnete die AWO Hamburg in den 1990er Jahren mit dem AWO Sozial- und Bildungswerk. Schweißer-Kurse mit Zertifikat und Ausbildungen, zum Beispiel zum Konstruktionsmechaniker, konnten Jugendliche mit Migrationshintergrund hier erlernen. Heute ist daraus die AWO Akademie für Bildung und Integration entstanden, die noch immer junge Erwachsene ausbildet, die aus Kriegs- und Krisengebieten geflüchtet sind.

 

Schnelle Hilfe im Syrienkrieg

Einige Jahre nach Ausbruch des Syrienkrieges erreichten im Jahr 2015 viele Geflüchtete Europa. In kürzester Zeit baute die AWO Hamburg eine Erstaufnahmeunterkunft in Rahlstedt auf. Anfang 2016 fanden nicht nur syrische Geflüchtete hier eine Bleibe, sondern auch Menschen aus den Maghreb Staaten (Tunesien, Algerien, Marokko und Westsahara), Subsahara-Afrika, Afghanistan, dem Irak und anderen Staaten in Krisenregionen.

Anfang 2018 löste die Stadt Hamburg alle Erstaufnahmeunterkünfte in Hamburg auf, um den Geflüchteten mit Bleibeperspektive in Folgeunterkünften langfristig ein Zuhause zu geben. Die AWO Hamburg betreibt seitdem eine solche Folgeunterkunft (Unterkunft Perspektive Wohnen) im Stadtteil Rissen. Hier leben 300 Menschen in eigenen Wohnungen. AWO-Mitarbeitende unterstützen durch Berufsorientierung und -qualifizierung sowie Kontakte in den Stadtteil dabei, in Hamburg Fuß zu fassen.

Foto: Karin Desmarowitz